Das wichtigste Gebet ist das Gebet um die Beharrlichkeit bis zum Ende. Siehe hier


Mittwoch, 4. April 2012

Warum musste Jesus Christus für uns sterben?

Viele Katholiken wissen leider nicht mehr, warum Jesus Christus am Kreuz sterben musste. Ohne dieses Wissen ist es jedoch unmöglich, die Karwoche richtig begehen zu können. Viele wissen auch nicht mehr, dass Sein Tod ein freiwilliger Sühnetod für unser aller Sünden war, der uns alle vor dem ewigen Verderben gerettet hat.
Der hl. Kirchenlehrer Anselm von Canterbury erklärt den Zusammenhang im Folgenden. Es lohnt sich diese Abhandlung öfter zu lesen, wenn man den Sachverhalt beim  ersten Mal nicht richtig versteht.

"Dieser ist die Versöhnung für unsere Sünden; doch nicht allein für die unsrigen, sondern auch für die Sünden der ganzen Welt." (1 Joh. 2,2)
Bild: Die allerheiligste Dreifaltigkeit
von Sandro Botticelli



Sündigen heißt: Gott nicht leisten, was man ihm schuldig ist, ihm ungehorsam sein, seine Ehre verletzen. Die Sündenschuld erfordert eine Sühne für die Verletzung der Ehre Gottes; es muss also dafür etwas geleistet werden, was nicht an sich schon Pflicht gewesen wäre, wie der, welcher den anderen verwundet, nicht nur seine Gesundheit wiederherstellen muss, sondern ihn auch für den erlittenen Schmerz entschädigen muss. 
Ohne solche Genugtuung muss Gott die Sünde strafen, denn sonst würde er in seinem Reich eine Störung der Ordnung ungeordnet hingehen lassen. Der Sünder und der Gehorsame würden gleichgehalten sein. 
Gott kann nimmermehr Ungeziemendes oder Unordentliches wollen; sowenig als das Wasser trocken und das Feuer nass sein kann, sowenig kann Gott seine Gerechtigkeit und seine Ordnung verletzen lassen ohne Genugtuung oder Büßung. 
Unterwirft sich der Mensch nicht freiwillig dem Herrn durch Gehorsam, so zeigt ihm der Herr seine Herrschaft durch Strafe. 
Die Ehre Gottes ist zwar Gott selbst, und die kann niemand nehmen, aber sie spiegelt sich auch in der Schöpfung, in der Weltordnung ab, namentlich darin, dass die vernünftigen Geschöpfe Gottes Willen erkennen und freiwillig tun, dadurch ehren sie Gott. 
Wer dieses nicht tut, stört die Ordnung und Schönheit der Weltordnung, und tut somit der Ehre Gottes Eintrag. Wir können aber dem Willen Gottes nie entgehen; fliehen wir vor dem gebietenden Willen Gottes, so geraten wir unter den strafenden. 


Eine wahre Genugtuung für die Sünde gibt es nur, 1. Wenn man etwas leistet, das nicht ohnedies schon Pflicht ist. 
Reue, Büßungen, Almosen usw. können daher keine Genugtuung sein, weil es Pflicht ist, zu trauern, wenn man Gott beleidigt hat, und weil es Pflicht ist, den Mitmenschen von dem unsrigen mitzuteilen; auch der neue Gehorsam sühnt nicht, weil wir ja überhaupt all unser Hab und Tun und uns selbst Gott schuldig sind. Daher haben wir nichts, was wir Gott für die Sünde bezahlen könnten.
Dann müsste 2. Die Sühne so groß sein als die Schuld. 
Die kleinste wissentliche Sünde ist aber etwas sehr großes und mit keinem Unglück zu vergleichen, wenn man bedenkt, dass diese gegen den Willen Gottes ist, z.B. ein sündhafter Blick. Stelle dich in Gedanken vor Gottes Thron und nimm an, jemand sage zu dir: Blicke dorthin, Gott aber geböte: Blicke nicht hin. Müsstest du nicht lieber die ganze Welt zu Grunde gehen lassen, als Gott in das Angesicht ungehorsam zu sein? 
Auch die kleinste Sünde wiegt schwerer als das Ärgste. Sie ist ärger, als wenn die ganze Welt unterginge; denn sie ist gleichsam der Wille, Gott vom Thron zu stoßen, indem man sein Gesetz nicht achtet. 
Nun aber stehen wir in Wahrheit stets vor Gottes Thron, und in jedem Augenblick gebietet er uns, nicht zu sündigen — wie unermesslich groß ist unsere Schuld! — Die Genugtuung müsste aber auch größer sein als unsere Schuld, sie müsste sie auf- und überwiegen; sie müsste etwas größeres sein als die ganze Welt, da man selbst um eine ganze Welt nicht eine einzige Sünde tun darf. 
Derart hat aber der Mensch nichts. 
3. Der Mensch hat durch die Sünde einen Raub gegen Gott ausgeübt, er hat nämlich die Seele, die ihm Gott gegeben und die zur Heiligkeit und Seligkeit bestimmt war, verwüstet und verderbt, sodass sie ganz unbrauchbar für ihre Bestimmung geworden ist; im Gegenteil ist jetzt die Seele eine fortfließende Quelle der mannigfaltigsten Sünden. 
Dieser Raub und Frevel an Gottes Eigentum, an der Seele, muss erstattet werden. Dieses kann der Mensch aber nicht; der Sünder kann nicht den Sünder reinigen.
Die Schuld der Sünde und das Verderbnis der Seele ist aber von solchem Belang, dass es nur durch eine Leistung überwogen werden könnte, die größer ist als die ganze Welt, größer als alles, was nicht Gott ist. 

Dieses ist aber Gott allein, folglich kann nur Gott selbst die Genugtuung leisten, aber die Gerechtigkeit fordert, dass sie durch den Menschen geleistet werde. 
Es gibt also nur dann eine gültige Genugtuung, wenn Gott und der Mensch zugleich dieselbe leisten, indem Gott Mensch wird und zugleich Gott bleibt, und seine Gottheit und Menschheit nur eine und dieselbe Person bildet. Dieses ist aber Jesus Christus. 
Er durfte aber seine Menschheit nicht neu erschaffen, wie Adam neu erschaffen wurde, sondern musste aus dem Menschengeschlecht seine menschliche Natur nehmen, weil er sonst nicht für unser Geschlecht gültige Genugtuung leisten konnte. 
Wie nun Eva aus dem Leib des Adam entnommen wurde, so wurde der Leib Christi aus der Jungfrau entnommen, damit das Heil von dem Weib ausgehe, wie auch die Sünde vom Weib ausgegangen war. 
Es musste aber der Gottmensch etwas darbringen zur Sühne, was keine Schuldigkeit für ihn war. Den Gehorsam konnte Gott von ihm fordern, Leiden und Tod konnte Gott aber nicht fordern, weil Christus kein Sünder war. 
Folglich war dieses die rechte Genugtuung, zumal da hier der Lust aus der Sünde der Schmerz, und dem Raub an Gott die Schenkung an Gott entsprechen. 
Ein Genuss stürzte die Menschen ins Verderben, ein Leiden musste sie erretten. Dass das Leben Jesu aber mehr ist als alle Sünden der Welt, fühlt jeder Christ, indem jeder lieber alle Sünden der Welt auf sich nehmen wollte, als wissentlich den Gottmenschen töten. 
Daher muss die Darbringung seines Lebens alle Sünden überwiegen; und es gibt nichts und es lässt sich nichts denken, wodurch es vor Gott möglich wäre, uns Sünder zu erretten, als durch das große Wunder der Menschwerdung und des Todes Jesu Christi selbst. 
Hier erscheint Gottes Barmherzigkeit und Gerechtigkeit am größten, indem er uns seinen Sohn gibt, damit wir uns loskaufen von der Sünde, und indem er einen so großen Preis für die Schulderlassung bezahlen lässt.

aus: Legende oder der christliche Sternenhimmel von Alban Stolz, mit Approbation von drei Bischöfen, 1909

Warum der Heiland nach göttlichen Ratschluss genau am Kreuz sterben musste, dazu siehe hier.