Maria im Rosenhag Martin Schongauer, 1473 |
Der Mensch, statt die zahllosen Gaben, womit der liebe Gott ihn überschüttet, zur Verherrlichung des Gebers mit Dank zu benützen, missbraucht sie gewöhnlich und wendet sie gar oft mit unverantwortlichem Leichtsinn zur Beleidigung seines Schöpfers und Herrn an. So macht er es auch mit dem holden Frühlingsmonat Mai.
In diesem so freundlichen Monat, wo Fluren Täler und Berge sich mit neuem Grün bekleiden, wo köstlicher Blütenduft die Lüfte durchwürzt, wo die Vögel wieder ihre Stimme zum Lobpreis des Schöpfers erschallen lassen, wo überall neues Leben sich regt und jedes gefühlvolle Herz über die Schönheit der Natur sich erfreut und des himmlischen Vaters Güte, Macht und Weisheit preist, – in diesem freundlichen Monat vergessen auch so viele Menschen denjenigen, der ihnen diese Freuden bereitete, und wenden die schöne Zeit nur dazu an, um in unerlaubten Genüssen zu schwelgen und ihre Herzen mit Sünden zu beflecken.
Dies war besonders am Ende des achtzehnten Jahrhunderts der Fall, wo der Unglaube schreckliche Verheerungen anrichtete und es den Anschein hatte, als würde das Andenken Gottes ganz aus den Herzen der Menschen verschwinden. – Betrübt über diesen Leichtsinn, diesen Undank und diese Gottvergessenheit, haben sich in der Stadt Rom mehrere fromme Seelen, der Missionar Pater Latomia SJ an der Spitze, in dem Entschluss vereinigt, den Monat Mai der Verehrung der Himmelskönigin zu weihen.
Während im Freien gottlose Lieder ertönten, im wilden Tanze,
im Spiel und im Scherz ausgelassene Menschen die edle Zeit vergeudeten und Gott
den Herrn beleidigten, und während Gotteslästerungen aller Art dem Munde der
Ungläubigen entströmten, schmückten diese frommen Seelen den Altar der
hochbegnadigten Jungfrau mit Blumen, warfen sich vor ihm nieder und flehten zur
Mutter der Barmherzigkeit, dass sie durch ihre mächtige Fürbitte die Gottlosigkeit, den Leichtsinn und Undank sühnen und das Erbarmen Gottes über die verblendeten
Kinder der Welt herabrufen möchte.
Kaum war diese neue Andacht bekannt geworden, so wurde sie überall
mit Freuden begrüßt, und es wird jetzt kaum mehr ein Bistum in der katholischen
Kirche zu finden sein, wo diese segensreiche Andacht nicht in irgendeinem
Gotteshause eingeführt ist oder im Kreise frommer Familien gefeiert wird.
alles aus: Des ehrwürdigen P. Leonhard Goffine Katholische Handpostille, 69. Auflg. Kösel & Pustet, mit Imprimatur, S.597
alles aus: Des ehrwürdigen P. Leonhard Goffine Katholische Handpostille, 69. Auflg. Kösel & Pustet, mit Imprimatur, S.597