Fortsetzung von hier
Ohne Demut gibt es keine Geduld. Der Hochmütige hält sich nie für schuldig und strafbar, aber der Demütige glaubt, aller Strafe würdig zu sein und nimmt daher alle Leiden, jede Beleidigung mit Freuden hin, um seine Schuld zu bezahlen.
Ohne Demut gibt es keine Keuschheit. Das Sprichwort sagt schon: „Hoffart kommt vor dem Fall.“ Der Demütige traut sich nichts zu: er fürchtet zu fallen, er wacht, er weicht aus, er flieht jede Gelegenheit, jede Gefahr, er bleibt rein.
Ohne Demut gibt es keinen Gehorsam, der verdienstlich wäre vor Gott. Der Hoffärtige gehorcht nur aus Widerwillen oder aus Heuchelei, der Demütige unterwirft sich gerne, er will aller Knecht sein, weil er sich für nichts hält.
Ohne Demut hat das Gebet keine Kraft. Der Demütige erkennt sich als einen Bettler vor Gott; er setzt all sein Vertrauen nur auf Gott, und sein Gebet durchdringt daher den Himmel: „es dringt, wie die Heilige Schrift sagt, durch die Wolken; es hat keine Ruhe, bis es hinkommt und geht nicht von dannen, bis der Allerhöchste es anhört.“
So könnte ich alle Tugenden durchgehen und zeigen, wie notwendig es ist, die Demut zu üben. Ohne Übung heiliger Tugenden kannst du nicht heilig und selig werden; daher, willst du heilig und selig werden, so sei demütig; willst du hoch, willst du in den Himmel hinauf, so steige recht tief herab, das heißt: erniedrige dich; willst du ein hohes, festes Gebäude der Vollkommenheit bauen, so lege einen tiefen Grund. Kein Heiliger ist im Himmel, der nicht demütig gewesen und nach des Heilands Worten hast du für den Himmel genug getan, wenn du von ihm gelernt hast, sanftmütig und demütig zu sein, indem er spricht: „Lernet von mir, denn ich bin sanftmütig und demütig von Herzen, so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen (Matth. 11,29).“ Schaue daher auf Jesus und Maria, und du wirst wie die heilige Isabella diese notwendige Tugend der Demut erkennen und, ist es dir ernst, in den Himmel zu kommen, auch üben.
Seufzer: O Jesus, lass mich in Deinem Lichte erkennen, wie armselig ich bin, lass mich fühlen mein Elend, und deshalb auch mich erniedrigen, verachten und den letzten Platz unter meinen Mitbrüdern einnehmen. Amen.
alles aus der Ott´schen Heiligenlegende, 1855