Es hat einmal einer einen Traum gehabt. Der Traum setzte in dem Augenblick ein, als das Weltgericht begann. In einem gewaltigen Kreise, in einem Kreise von gewaltigem Ausmaß, sah der Träumende ungezählte Menschen, alle Menschen von Adam und Eva an, alle – ohne Ausnahme. Und in der Mitte des Kreises, da ragte das Kreuz empor. Vor dem Kreuze saß auf dem Thron Christus, der Richter. Einzeln trat jeder vor ihn hin und wurde nicht gerichtet, sondern richtete sich selbst.
Das letzte Gericht Fra Angelico |
Aber die Wirklichkeit, die er jetzt im Traume sah, war anders. In unübersehbarer Schlichtheit vollzog sich das Gericht.
Es bestand einzig darin, dass der einzelne Mensch zu Christus hintrat und sprach: „Ich liebe Dich!“ Das war alles. Das war das ganze Gericht.
Aus der Ferne gewahrte der Träumende, dass viele von denen, die zu Christus hingingen, sprachen: „Ich liebe Dich!“ Sie sprachen es jubelnd, jauchzend. Diese wies der Richter zu seiner Rechten.
Dann aber kamen andere, die brachten die wenigen Worte, die verlangt waren, nicht aus dem Munde, nicht über die Lippen. Sie stotterten, stockten und verstummten. Diese wies der Richter auf die linke Seite, wo undurchdringliche Finsternis sich ausbreitete.
Seltsam, dachte der Träumende, warum können diese Menschen die drei Worte nicht aussprechen? Nichts leichter als das. Wenn ich an die Reihe komme, werde ich mit Leichtigkeit diesen kleinen Spruch hersagen können. Zwar habe ich Christus in meinem Leben nicht sonderlich geliebt, denn seine Gebote waren mir lästig, aber das Verslein werde ich bestimmt aufsagen können. So dachte der Träumende und übte dann einige Male: „Ich liebe dich; ich liebe dich; ich liebe dich.“ Er merkte, das ging ohne Schwierigkeiten. Ohne Zweifel würde er das Gericht bestehen.
Immer mehr teilte sich inzwischen die Menschheit und allmählich kam auch die Reihe an ihn, immer näher kam er dem Richter. Und da traf ihn ein Blick aus den Flammenaugen des Herrn. Seine Seele begann zu beben. In heller Angst versuchte er noch einmal übend den Spruch zu sprechen: „Ich...“, aber er kam nicht weiter. Er kam nicht weiter und unvermutet schnell stand er vor dem Richter.
Wie aus einem Meer der Klarheit überblickte er sein ganzes Leben. Da wusste er, dass er seiner Sünden wegen Christus nicht geliebt hat und dass er niemals wird in Ewigkeit sagen können: „Ich liebe dich!“
In diesem Augenblick verstummte er, und mit einem Schrei wurde er wach. Das Ganze war ein Traum. So oder so aber wird der Traum einmal Wirklichkeit werden. Wie der einzelne Mensch zu Christus steht hier auf Erden, so wird es auch in der Ewigkeit sein. Mit Christus ewig leben oder ohne Christus ewig verloren sein, das ist das Ende eines jeden Menschen. Christus ist die Lebensscheide der Ewigkeit.
Wie stehen wir, meine lieben Freunde, zu Christus? Können wir ihm ehrlich sagen: „Ich liebe dich“? Wer es in diesem Leben nicht gelernt hat, ehrlich und aufrichtig zu Gott zu sagen: „Ich liebe dich“, der wird es auch vor dem Richterstuhl Christi nicht fertig bringen, diese Worte zu sprechen. Jetzt ist noch Zeit zu lernen, das erlösende Wort zu sprechen. Und es nicht nur zu sprechen, sondern es zu leben: „Ich liebe dich!“
Im Alten Bund erging das Wort des Herrn an das auserwählte Volk: „Höre Israel, der Herr, dein Gott, ist ein Einziger. Du sollst darum den Herrn deinen Gott lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft.“ So steht es im Buche Deuteronomium. Jesus Christus hat dieses Gebot bestätigt. Du sollst den Herrn deinen Gott lieben mit deinem ganzen Herzen, mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Gemüte. Das ist das erste und größte Gebot.
Liebe zu Gott! Noch ist es Zeit, meine lieben Freunde, diese Liebe zu lernen und zu üben. In der Treue zu Gott, im Gehorsam gegen Gott, in der Arbeit für Gott, im Leiden mit Gott. Noch ist es Zeit.
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