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Freitag, 29. Juni 2012

Petrus und Pau­lus – Amt und Cha­risma

von Prälat Prof. Georg May

Geliebte, zur Feier der Apos­tel­fürs­ten Petrus und Pau­lus Ver­sam­melte!
Die Kir­che begeht das Gedächt­nis des Petrus und des Pau­lus an einem Tage. Das könnte ver­wun­dern, denn sie waren nicht mit­ein­an­der ver­wandt, und sie stan­den sich wohl auch, was die Freund­schaft betrifft, nicht beson­ders nahe. Es bestan­den viel­mehr zwi­schen ihnen erheb­li­che Gegen­sätze. 
Ihre Lebens­wege gin­gen aus­ein­an­der; Petrus war unter den Erst­be­ru­fe­nen, sein Bru­der Andreas führte ihn ja zum Hei­land. Pau­lus wurde erst lange nach der Him­mel­fahrt des Herrn, auf dem Wege nach Damas­kus, vom Rufe Got­tes betrof­fen, als der Herr schon nicht mehr sicht­bar auf Erden wan­delte. Sie waren auch sehr ver­schie­de­nen Cha­rak­ters. 
Petrus war nach­gie­big, ängst­lich, furcht­sam; Pau­lus war ein Feu­er­kopf, ein Mann der Tat und der Ent­schie­den­heit, von rück­sichts­lo­sem Kampf­geist erfüllt. Sie waren auch ver­schie­de­ner Her­kunft. Petrus war ein ein­fa­cher Fischer vom See Genesa­reth, Pau­lus war ein hoch­ge­bil­de­ter Mann, ein Schrift­ge­lehr­ter, welt­ge­wandt, der sicher die Spra­che der dama­li­gen Welt, grie­chisch, flie­ßend sprach.

Den­noch gibt es auch Ähn­lich­kei­ten zwi­schen ihnen. Beide gin­gen durch das tiefe, dunkle Tal der Schuld. Petrus in jener Stunde, wo er von einem Fehl­tritt über­rascht wurde und dann hin­aus­ging und bit­ter­lich weinte, Pau­lus dage­gen von dem har­ten Ver­fol­ger­wil­len erfüllt. Beide sind durch die Erin­ne­rung an ihre Schuld klein, still und reif gewor­den. Sie wuss­ten, dass sie allein durch die Erbar­mung des Herrn geret­tet wor­den waren. 
Beide gaben ihr Leben und ihr Blut für den Meis­ter, den sie über alles lieb­ten. 
Es ist eigen­ar­tig, dass beide, Petrus und Pau­lus, ihr Mar­ty­rium in Rom voll­endet haben, in Rom, der Haupt­stadt der Welt, und in Rom, der Haupt­stadt des Rei­ches Got­tes auf Erden. Es war, als hätte die Chris­ten­ge­meinde von Rom durch das Blut der bei­den Apos­tel zusam­men genährt wer­den müs­sen. 
Und so ist auch die Erin­ne­rung an beide in der Kir­che immer zusam­men­ge­nom­men wor­den. Fünf­mal in der hei­li­gen Messe wer­den Petrus und Pau­lus, immer zusam­men, genannt. Und auch die Feste, die wir fei­ern, erwäh­nen immer nach dem hei­li­gen Petrus den hei­li­gen Pau­lus. Damit zeigt die Kir­che, dass beide von ein­zi­ger und ein­zig­ar­ti­ger Bedeu­tung für ihre Geschichte und ihr Leben sind. Sie nennt sie die Apos­tel­fürs­ten. Jeder besitzt näm­lich ein Füh­rer­tum, einen Pri­mat, wenn man so sagen will. 
Petrus trägt den Pri­mat des Amtes, Pau­lus den Pri­mat des Cha­ris­mas, der leben­di­gen, begna­de­ten Per­sön­lich­keit. Und diese bei­den Füh­rer­tü­mer, diese bei­den Pri­mate geben der Geschichte der Kir­che ihren Cha­rak­ter und ihre Eigen­art.

Petrus hat den Pri­mat erhal­ten durch aus­drück­li­chen Auf­trag Christi. In jener stil­len Stunde am See Genesa­reth, nach dem Früh­mahle, das sie gehal­ten hat­ten, sprach der Herr zu ihm: „Weide meine Läm­mer, weide meine Schafe!“ Damit war ihm der Pri­mat der Füh­rung über­tra­gen. Damit war erfüllt, was der Herr ihm vor Cäsarea Phil­ippi ver­hei­ßen hatte: „Ich will über dir meine Kir­che bauen.“ Und noch frü­her, schon beim ers­ten Zusam­men­tref­fen, hat er ihm den Namen gege­ben, der für die­sen Kir­chen­bau cha­rak­te­ris­tisch war: „Du bist Kephas“, d.h. der Fels.

Der Apos­tel Pau­lus wurde auf andere Weise bestellt. Er ist ein Spät­be­ru­fe­ner, und ihm wurde eigent­lich nur der all­ge­meine Auf­trag der Apos­tel zuteil, näm­lich der Herr wollte ihm sagen, dass er ein aus­er­wähl­tes Werk­zeug sei, dass er den Namen Christi durch alle Län­der, zu den Hei­den und zu den Juden tra­gen werde und dass er viel lei­den müsse um die­ses Namens wil­len; er hat also keine beson­dere Sen­dung erhal­ten. 
Und doch war es ihm durch den Herrn bestimmt, eine rich­tung­ge­bende und bestim­mende und befruch­tende Wir­kung auf die junge Kir­che aus­zu­üben. 
Er hat einen Ein­fluß aus­ge­übt wie kein ande­rer Apos­tel, denn er hat die Kir­che aus der größ­ten Gefahr, die ihr damals drohte, hin­weg­ge­ris­sen, näm­lich aus der Gefahr, in den Schran­ken und Fes­seln der jüdi­schen Gesetz­lich­keit gefan­gen zu blei­ben, ste­cken zu blei­ben. 
Auf die ers­ten heils­be­gie­ri­gen Hei­den war zwar auch der Hei­lige Geist her­ab­ge­kom­men, und sie waren getauft wor­den, aber sie waren noch nicht im vol­len Sinne als Chris­ten aner­kannt. Sie hat­ten noch nicht die völ­lige Gleich­be­rech­ti­gung mit den aus dem Juden­tum kom­men­den Chris­ten erlangt. Quelle und weiter hier