Das wichtigste Gebet ist das Gebet um die Beharrlichkeit bis zum Ende. Siehe hier


Freitag, 1. Juni 2012

Die gött­li­che und mensch­li­che Dimen­sion der Kir­che

alles von Prälat Prof. Georg May

(...) Die Kir­che ist letzt­lich auch etwas allzu Mensch­li­ches. Allzu mensch­lich sind ihre Klös­ter, ihre Pries­ter; allzu mensch­lich ist das gläu­bige Volk. Es ist doch viel, was die Kir­che auch an Staub mit sich her­um­trägt, es ist allzu viel; es ist mehr, als sein sollte. 

Und des­we­gen lei­den die Hei­li­gen an der Kir­che und wei­nen über die Kir­che. Die größ­ten Hei­li­gen haben am meis­ten an dem allzu Mensch­li­chen der Kir­che gelit­ten und haben sich dage­gen gewehrt. 
Wenn Sie ein­mal, meine lie­ben Freunde, lesen wür­den, was der hei­lige Bern­hard von Clairvaux den zeit­ge­nös­si­schen Bischö­fen und Päps­ten vor­ge­hal­ten hat, dann wür­den Sie stau­nen, wie die­ser von Liebe zur Kir­che erfüllte Mensch auf seine Zeit­ge­nos­sen ein­ge­re­det hat. Oder wenn Sie die Briefe, die vie­len Briefe der hei­li­gen Katha­rina von Siena lesen wür­den, die sie an die Gro­ßen ihrer Zeit, auch an die Päpste, rich­tete, dann wür­den Sie stau­nen, wie diese hei­lige Frau mit ihren Zeit­ge­nos­sen umge­gan­gen ist. Dem Papste schrieb sie: „Du hast Deine Macht nicht erhal­ten, damit Du sie nicht benutzt, son­dern damit Du sie gebrauchst!“ 
Die größ­ten Hei­li­gen haben am meis­ten an der Kir­che gelit­ten. Aber es muß natür­lich die­ses Lei­den an der Kir­che ein hei­li­ges Lei­den sein, weil es aus einer hei­li­gen Liebe kommt. Es darf kein res­sen­ti­ment­ge­la­de­nes Lei­den sein, kein bit­te­res, kein ver­bit­ter­tes, kein haßer­füll­tes Lei­den. Es muß ein Lei­den sein, das der Kir­che hel­fen will.

Man­che, die die Kir­che kri­ti­sie­ren, sind ganz froh, daß die Kir­che nicht voll­kom­men ist, denn sie sagen sich: So, wie sie ist, ist sie nicht voll­kom­men, also brau­che ich mich auch nicht anzu­stren­gen, also brau­che ich mich auch nicht zu bemü­hen. Sie haben gera­dezu Freude daran, wenn sie von Skan­da­len in der Kir­che hören und berich­ten kön­nen, denn das macht ihr unru­hi­ges Gewis­sen ruhig, weil sie sich sagen: Die Kir­che ist nicht so, wie sie sein soll, also brau­che ich mich auch nicht zu bemü­hen, bes­ser zu wer­den. Nein, das ist nicht die rich­tige Weise, wie man Kri­tik an der Kir­che übt. Es muß eine Kri­tik sein, die aus der Liebe kommt, und man muß der Kir­che zu hel­fen suchen. 

Wie kann man ihr denn hel­fen? Man kann ihr hel­fen, indem wir selbst Glie­der der Kir­che wer­den, wel­che die Kir­che schmü­cken. Wenn wir die Kir­che zie­ren mit unse­ren Tugen­den, mit unse­rer Liebe, mit unse­rer Demut, mit unse­rer Geduld, mit unse­rer Groß­mut, wenn die Kir­che durch uns als eine Gemein­schaft der Hei­li­gen erscheint, dann hel­fen wir der Kir­che, dann hel­fen wir ihr wirk­lich. Wenn die Men­schen sagen: Die Katho­li­ken sind doch anders als die ande­ren, sie sind doch bes­ser, wenn sie das sagen kön­nen, dann haben wir der Kir­che gehol­fen.

An Chris­tus waren zwei Wirk­lich­kei­ten zu beob­ach­ten, eine gött­li­che und eine mensch­li­che. Er war der­je­nige, der dem Sturm sagte: „Schweige! Ver­stumme!“ Er war aber auch ein Aus­ge­sto­ße­ner, ein Geschla­ge­ner, ein Mann der Schmer­zen, von dem man das Ant­litz abwen­den wollte. 

Ähn­lich ist es mit der Kir­che. Auch sie ist etwas Gött­li­ches und etwas Mensch­li­ches. Sie geht ihren Weg wie ihr Meis­ter und Herr mit blu­ten­den Füßen und mit einer Dor­nen­krone auf dem Haupte, ver­lacht und ver­kannt und geschmäht, und den­noch: Sie ist eine Köni­gin!