Das wichtigste Gebet ist das Gebet um die Beharrlichkeit bis zum Ende. Siehe hier


Donnerstag, 5. Januar 2012

Was ist Gnade?


Bei dem Post über die geistlichen Werke der Barmherzigkeit hat der Leser "KH" zu der Stelle
"Wie müssen die Werke der Barmherzigkeit verrichtet werden, um gottgefällig und verdienstlich zu sein?
1. Sie müssen aus Liebe zu Gott und aus übernatürlicher Liebe zum Nächsten geschehen. 2. Sie dürfen nicht aus Eitelkeit und Eigennutz oder aus rein natürlicher Liebe und bloß aus angeborenem natürlichem Mitleid geübt werden."


eine sehr wertvolle Frage gestellt:

"aus übernatürlicher Liebe zum Nächsten"

"aus angeborenem natürlichem Mitleid"

Was ist der Unterschied zwischen diesen beiden? 



Die kurze Antwort an "KH" an der Stelle war:


Die übernatürliche Liebe zum Nächsten hat immer Gott als letztes Ziel im Auge. Ich habe also Mitleid mit meinem Nächsten um Gottes Willen, weil der liebe Gott will, dass ich meinem Nächsten Gutes tue. Nur so ist es auch möglich, dass man auch mit seinen Feinden Mitleid hat.
Zur übernatürlichen Liebe ist die Gnadenhilfe Gottes erforderlich. Mit der Gnade gibt er uns etwas, was über unsere Natur hinausgeht, aber zu unserem ewigen Heil zwingend notwendig ist.

Natürliches Mitleid kann der Mensch auch ohne Gnadenhilfe Gottes haben, z.B. haben auch viele der heutigen Neuheiden Mitleid, wenn sie im Fernsehen Elend sehen.
Das nutzt ihnen aber direkt nichts, um ihr ewiges Heil zu wirken. Es nutzt ihnen aber indirekt, weil Gott ihnen, wenn sie viel natürlich Gutes tun, die Gabe des wahren (katholischen) Glaubens schenken kann und sie dann mit den übernatürlichen Gnadenhilfen ihr Heil wirken können.

Das Thema ist zugegeben nicht ganz einfach, ich habe vier Jahre gebraucht, um das alles richtig zu verstehen. Demnächst kommt dazu ein ausführlicherer Post. 



Daher wird jetzt in loser Folge über die Gnadenlehre veröffentlicht. 


Eine kurze Bemerkung vorab:


Mit der Protestantisierung der katholischen Kirche ist die Gnadenlehre, die zur Dogmatik gehört, also nicht einfach irgendeine Meinung ist, die man annehmen kann oder auch nicht, sondern der man gläubig zustimmen muss, um katholisch zu sein, seit mindestens 40 Jahren fast völlig unter den Tisch gefallen. Was Gnade ist und wozu diese jedem Menschen dringend erforderlich ist, wird in der katholischen Kirche so gut wie nicht mehr gelehrt. Auch das Wort "übernatürlich" bereitet den meisten Katholiken erhebliche Schwierigkeiten, kein Wunder, wenn es ihnen kein Priester mehr erklärt.

Unserer Einschätzung nach ist dieser Mangel eine der Hauptursachen der ganzen Kirchenkrise. Wenn man nicht versteht, wozu man die Gnade braucht, versteht man nicht, warum man sein Kind sehr zügig nach der Geburt taufen lassen sollte, man versteht nicht den Sinn der Beichte, man versteht nicht, warum nicht auch Protestanten, Moslems und die Heiden per se auf dem Weg in den Himmel sind, man wird also gleichgültig gegenüber den falschen Religionen, man bemüht sich nicht mehr, in wahrer Nächstenliebe den Nächsten von seinem gnadenlosen Weg der Todsünde abzubringen und vieles mehr.


Unterricht über die Gnade

Die Gnade ist eine innere, übernatürliche Gabe, welche uns Gott aus bloßer Güte wegen der Verdienste Christi erteilt, um unser ewiges Heil wirken zu können.

Die Gnade ist eine Gabe, d.h. ein Geschenk, eine Gunstbezeigung, eine Wohltat. Die Gnade ist eine innere Gabe, weil sie der Seele des Menschen mitgeteilt wird im Gegensatz zu den äußeren Ganden oder Wohltaten Gottes, als da sind: Nahrung, Kleidung, Gesundheit, die Predigt des Wortes Gottes.

Sie ist eine übernatürliche Gabe. Übernatürlich bedeutet, was über die Natur hinausgeht. Gott hat bei der Erschaffung unserer Seele ihr den Verstand gegeben, der sie fähig macht, zu denken, zu überlegen, zu urteilen, mehr oder weniger Kenntnisse zu erlangen; dieses Licht heißt natürliches Licht. Ebenso hat Gott unserer Seele, als er sie erschuf, eine Kraft mitgeteilt, dass sie doch einigermaßen die sinnlichen, fehlerhaften Neigungen unterdrücken kann; diese Kraft heißt natürliche Kraft
Zu diesem natürlichen Lichte und zu dieser natürlichen Kraft muss aber noch ein höheres Licht und eine höhere Kraft kommen, wenn der Mensch selig und heilig werden will
Dieses höhere Licht und diese höhere Kraft ist die Gnade, welche darum eine übernatürliche Gabe heißt, weil sie die natürlichen Kräfte des Menschen übersteigt und in seinem Verstande und in seinem Willen solche heilsame Wirkungen hervorbringt, welche der Mensch ohne sie nie hervorbringen kann. 
So ist z.B. der göttliche Glaube, die göttliche Liebe eine übernatürliche Gabe oder Gnade Gottes, weil der Mensch aus eigenen Kräften nie die Offenbarungen Gottes und deren unbegreifliche Geheimnisse mit so großer Freudigkeit und so fester Überzeugung als wahr annehmen und Gott nie so über alles und bloß wegen seiner selbst lieben könnte, wenn Gott nicht mit seiner Gnade zu Hilfe käme.

Die Gnade verleiht uns Gott ferner aus bloßer Güte, ohne unser Zutun, ohne dass wir darauf ein Recht haben; er gewährt sie uns in Rücksicht auf die unendlichen Verdienste Jesu Christi, in Betracht des blutigen Kreuzestodes Jesu und des unendlichen Preises der Erlösung, die er am Kreuze vollbracht hat, und den er uns zuwendet.

Die Gnade ist endlich eine Gabe Gottes, um damit unser Heil wirken zu können; d.h. wir können nur durch die Gnade Gottes verdienstliche Werke verrichten und in den Himmel kommen; ohne die Gnade ist es uns unmöglich, irgend eine so gute Handlung zu verrichten, ja einen so guten Gedanken zu fassen; dass wir dadurch den Himmel verdienen.

Wir müssen ferner glauben, 1. dass wir mit der Gnade Gottes in betreff unseres Heiles alles vermögen, also alle Gebote Gottes erfüllen, aber ohne Gnade nichts Verdienstliches wirken können; 2. dass die Gnade allen gegeben ist *, so dass die Bösen umkommen, nicht weil sie nicht gut sein konnten, sondern weil sie es nicht wollten, und wir daher auch der Gnade widerstehen können, aber dann aus eigener Schuld zugrunde gehen.



aus: Goffine, Katholische Handpostille, Verlag Kösel & Pustet, 69. Auflage

Anmerk: d.h., dass jeder Mensch ausreichend Gnade erhält, um seine Seele retten zu können, da sein Wille aber frei ist, zwingt Gott ihn nicht zur Mitwirkung mit der Gnade.