„Gut ist das Gebet mit dem Fasten,“ sprach der Engel Raphael zu Tobias, als er sich ihm zu erkennen gab. Unter dem Worte „Fasten“ verstehen die heiligen Väter insgemein jede Art von Bußübung und Abtötung des Fleisches. Abtötung und Gebet, diese zwei sind für uns die Hauptmittel zur Gewinnung des Fortschrittes; sie müssen aber miteinander vereint sein, und eines muss das andere unterstützen.
Der hl. Bernhard sagt über jene Worte des hohen Liedes:
„ Wer ist sie, die heraufkommt aus der Wüste, gleich der Rauchsäule aus Aroma von Myrrhe und Weihrauch und jeglicher Spezerei des Würzehändlers?“ (Hohl. 3,6) folgendes: Durch Myrrhe und Weihrauch werden die Abtötung und das Gebet angedeutet. Diese müssen uns immer begleiten, uns zu der Höhe der Vollkommenheit erheben und uns angenehm duftend vor Gott machen.
Das eine ohne das andere nützt wenig oder nichts; denn befasst sich ein Mensch nur mit der Abtötung und nicht auch mit dem Gebet, so wird er hoffärtig. Ihm kann man mit allem Recht das Wort des Propheten zurufen: „Esse ich etwa der Stiere Fleisch oder trinke ich der Böcke Blut?“ Ps 49,13. Diese Opfer von Fleisch und Blut allein gefallen Gott nicht. – Widmete sich einer dem Gebete und vergäße er dabei die Abtötung, so müsste er von Christo, unserem Erlöser das Wort vernehmen: „Was nennt ihr mich den Herr, Herr, und tut nicht, was ich euch sage?“ Luk. 6,46. Und es träfe ihn jenes Wort des Weisen: „Wer seine Ohren abwendet, um nicht zu hören das Gesetz, dessen Gebet ist ein Gräuel.“ Sprüch. 28,9. Dein Gebet kann Gott nicht gefallen, wenn du nicht seinen Willen in Werken erfüllst.
aus dem Klassiker der aszetischen Schriften: "Übung der christlichen Vollkommenheit und Tugend" des ehrw. P. Alphons Rodriguez, Priester der Gesellschaft Jesu