Prälat Georg May weist auf all das schon seit über 40 Jahren hin. 1995 hat er an 15 Sonntagen nacheinander über die Notwendigkeit der Abtötung gepredigt (Links siehe unten), über die seit dem letzten Konzil niemand mehr redet, die aber früher sozusagen zur katholischen Grundausbildung gehört hat.
Allerdings gab es schon weit vor dem Konzil innerhalb des Klerus die verhängnisvolle Tendenz, zu meinen, man könne die wahre Gottesliebe auch ohne Abtötung erlangen. Schon 1940 hatten weitsichtige Priester ihre progressiven Mitbrüder vor den Folgen dieser falschen Aszese gewarnt, ohne nennenswerten Erfolg, wie man spätestens seit dem Konzil allzu deutlich sehen kann.
Warum ist die Abtötung notwendig?
von Prälat Georg May
"Eine Erbschaft der Ursünde ist das sinnliche Begehren in unseren Gliedern. Wir alle spüren, daß in uns eine Macht am Werke ist, die uns zum Bösen verführen will. Die Widerstände gegen das Gute, die wir spüren, müssen überwunden werden durch Selbstüberwindung, durch Selbstverleugnung, durch Abtötung.
Abtötung ist ein Wort, das man nicht gern hört. Aber wir werden gleich sehen, daß die Abtötung, die hier gemeint ist, nicht das volle, starke, gesunde Leben ertöten will, sondern das kranke, das bresthafte, das dahinsiechende Leben. Abtötung besagt nicht, daß die Naturkräfte und die Naturtriebe unterdrückt werden sollen, es soll vielmehr nur ihre Unordnung bekämpft werden. Der Tod, der leibliche Tod, zerstört den Leib, das Prinzip unseres Handelns.
Die Abtötung zerstört nicht die menschlichen Triebe, auch nicht das sinnliche Begehren zur Gänze, sondern nur dessen Unordnung. Abtötung ist also nicht eine Todeskraft, sondern eine Lebenskraft. Sie will das Verderben beseitigen, das dem segensreichen Wirken unserer Triebe und Antriebskräfte entgegensteht.
Die Abtötung wird uns in der Heiligen Schrift von allen Autoren nahegelegt. Besonders deutlich spricht darüber der Apostel Paulus. Im Galaterbrief schreibt er einmal: „Das Fleisch gelüstet wider den Geist, der Geist aber wider das Fleisch. Beide widerstreben einander, so daß ihr nicht das tut, was ihr wollt.“
Hier hat der Apostel Paulus die beiden entgegenstehenden Kräfte im Menschen benannt. Er nennt sie „Fleisch“ und „Geist“. Mit Fleisch ist nicht das materielle Substrat unseres Körpers gemeint, sondern die Hinfälligkeit des Menschen. Fleisch ist der irdische Sinn, das Haften am Vergänglichen, die Unterwerfung unter die Triebe. Und von ihnen sagt er: „Das Fleisch gelüstet wider den Geist, der Geist aber wider das Fleisch. Beide widerstreben einander.“ Es ist also ein Kampf im Menschen, „auf daß ihr nicht das tut, was ihr etwa wollt“. Und an einer anderen Stelle, im Römerbrief, heißt es: „Ich sehe ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das dem Gesetze meines Geistes widerstreitet und mich gefangenhält unter dem Gesetze der Sünde, das in meinen Gliedern ist.“
Hier sieht er zwei Gesetze am Werk, das Gesetz in den Gliedern, damit sind natürlich auch die (ungeordneten) Strebungen des Menschen gemeint, und das Gesetz des Geistes. Und die beiden Gesetze widerstreben einander. Das eine zieht nach unten, das andere drängt nach oben. Von diesem doppelten Gesetz bemerkt der Apostel ein wenig weiter unten: „Wir sind Schuldner, nicht dem Fleische nach, um nach dem Fleische zu leben. Wenn ihr nach dem Fleische lebet, werdet ihr sterben. Wenn ihr aber durch den Geist die Regungen des Fleisches tötet, werdet ihr leben.“
An dieser Stelle haben wir sogar das Wort Abtötung. „Wenn ihr durch den Geist die Regungen des Fleisches tötet, werdet ihr leben.“
Ich sage noch einmal: Damit sind nicht die natürlichen Kräfte gemeint, die vernichtet werden sollen, sondern damit ist das Ungeordnete in den Trieben und Leidenschaften gemeint, die in uns leben.
Es gibt auch gute und heilsame Triebe; es gibt auch gute und heilsame Leidenschaften. Die Leidenschaft für das Gute, die Leidenschaft für die Gerechtigkeit, die soll nicht unterdrückt, die soll nicht ertötet werden, die soll gefördert und die soll begünstigt werden.
Aber die niederziehenden Leidenschaften, die niederziehenden Triebe, die sollen bekämpft und überwunden werden.
Die Bekämpfung des Niederen ist eine Lebensaufgabe für jeden Menschen. Sie ist aus einem zweifachen Grunde gefordert, einmal als Buße, d.h. als Strafe für unsere Sünden, zum anderen als Mittel zur Bewahrung vor den Sünden.
Wer sich alles Erlaubte gestattet, meine Freunde, ist nicht mehr weit vom Unerlaubten. Man muß sich im Erlaubten Abbruch tun, damit man die Kraft findet, das Unerlaubte zu meiden. Es ist ein ständiger Kampf in uns, und dieser Kampf muß das ganze Leben geführt werden." weiter HIER
- 08.10.1995: Der Wert der inneren Abtötung
- 15.10.1995: Die Ordnung der menschlichen Sinne
- 22.10.1995: Die Ordnung der menschlichen Phantasie
- 29.10.1995: Die Ordnung des menschlichen Verstandes
- 05.11.1995: über die Ordnung des menschlichen Willens
- 12.11.1995: Über Segen und Gefahren der menschlichen Leidenschaft
- 19.11.1995: Über Segen und Gefahren der menschlichen Liebe
- 26.11.1995: Die Ordnung der menschlichen Begierden
- 03.12.1995: Das Übel des menschlichen Hasses
- 10.12.1995: Die Ordnung der menschlichen Freude
- 17.12.1995: Die Ordnung der Leidenschaft und der Trauer
- 07.01.1996: Die Ordnung der menschlichen Hoffnung
- 14.01.1996: Die Ordnung des menschlichen Mutes
- 21.01.1996: Die Gefahren des menschlichen Zornes
- 28.01.1996: Die Bedeutung der Beherrschung der Sinne