Ein reiner Gefühlsglaube bzw. Vertrauensglaube reicht nicht, um gerettet zu werden, ebenso wenig wie ein dogmatischer Glaube ohne gute Werke reicht:
von Prälat Prof. Georg May
Zur Rechtfertigung ist unentbehrlich der Glaube, denn der Glaube ist der Anfang des Heiles, die Wurzel und die Grundlage der Rechtfertigung. So nennt ihn das Konzil von Trient. Was für ein Glaube?
Auch hier sind die Irrlehrer wieder in die Irre gegangen. Sie sagen: Der Fiduzialglaube, d.h. die bloße Zuversicht, daß Gott uns um des Leidens Jesu willen gnädig sein wird. Nein, sagt die Kirche, der reicht nicht. Der bloße Fiduzialglaube, der bloße Vertrauensglaube, reicht nicht. Es muß der dogmatische, der Bekenntnisglaube, der theologische Glaube sein, der alles das umschließt, was Gott geoffenbart hat.
Glauben heißt eben, sich auf das Fundament der Offenbarung stellen. Glauben heißt, das für wahr halten, was Gott geoffenbart hat.
Und die Kirche weiß, daß sie damit auf dem Boden des Neuen Testamentes steht. Da wird zwar auch das Vertrauen auf Gott betont an vielen Stellen, aber wie kann ich denn auf Gott vertrauen, wenn ich nicht an ihn glaube, wenn ich nicht glaube, daß er ist und daß er barmherzig ist und daß er mir die Sünden verzeihen will?
Der dogmatische Glaube muß also dem Vertrauensglauben vorangehen, er ist ja dessen Grundlage. So heißt es beispielsweise im Markusevangelium: „Verkündigt das Evangelium allen Geschöpfen! Wer glaubt und sich taufen läßt, wird gerettet werden. Wer nicht glaubt, wird verdammt werden.“ Oder im Johannesevangelium: „Das ist aufgeschrieben, daß ihr glaubt – daß ihr glaubt! –, daß Jesus der Messias ist, und daß ihr glaubend das ewige Leben habt.“ Oder im Hebräerbrief: „Wer zu Gott kommen will, muß glauben, daß er ist und daß er denen, die ihn suchen, ein Vergelter wird. Ohne Glauben ist es unmöglich, Gott zu gefallen.“
Also zur Vorbereitung gehört der Glaube, der dogmatische, der Bekenntnisglaube, und deswegen hat die Kirche auch immer – sie tut es heute noch – vor der Taufe die Taufbewerber belehrt im Glauben. Das besagt nicht nur: Habt Vertrauen!, sondern das besagt auch:
Glaubet alles, was Gott geoffenbart hat und durch seine Kirche zu glauben vorstellt! Deswegen wurde den Taufbewerbern – und wird auch heute noch – feierlich das Glaubensbekenntnis übergeben, also ein Inhalt, nicht nur eine Haltung.
Der Glaube ist unerläßlich. Aber es müssen zum Glauben auch andere Dispositionsakte, Vorbereitungshandlungen hinzukommen. Es genügt nicht der Fiduzialglaube allein, aber auch zu dem dogmatischen Glauben müssen noch andere Vorbereitungshandlungen hinzutreten, nur welche?
Etwa die Hoffnung auf Gottes Barmherzigkeit, der Abscheu vor der Sünde, die Furcht vor der Strafe Gottes, der Anfang der Gottesliebe und die Bereitschaft, ein neues Leben zu beginnen. Das sind die Vorbereitungsakte, die sich mit dem Glauben verbinden müssen. Einer von diesen Vorbereitungsakten ist absolut notwendig, nämlich die Reue. Wer keine Reue hat, dem werden keine persönlichen Sünden vergeben. Ohne Reue nützt auch der Glaube nichts. So notwendig wie der Glaube zur Rechtfertigung ist, so notwendig ist die Reue.
Nun gibt es eine Merkwürdigkeit, meine lieben Freunde. Es gibt zwei Stellen, beim Apostel Paulus eine und beim Apostel Jakobus, die scheinen sich zu widersprechen. Denn beim Apostel Paulus heißt es: „Wir halten dafür, daß der Mensch durch Glauben gerechtfertigt wird ohne Gesetzeswerke.“ Ich wiederhole: „Wir halten dafür, daß der Mensch durch Glauben gerechtfertigt wird ohne Gesetzeswerke.“ Dagegen schreibt Jakobus: „Ihr seht, daß ein Mensch aus Werken gerechtfertigt wird und nicht aus Glauben allein.“ Ich wiederhole: „Ihr seht, daß ein Mensch aus Werken gerechtfertigt wird und nicht aus Glauben allein.“ Ja, ist das kein Widerspruch? Der eine sagt: Der Glaube allein, der andere sagt: Nicht aus Glauben allein.
Man muß wissen, aus welchem Hintergrund die beiden Apostel sprechen. Der Apostel Paulus wendet sich gegen die Judaisten, also gegen solche Christen, die das ganze alttestamentliche Gesetz den neuen Christen auflegen wollen; und da betont er den Glauben. Jakobus wendet sich gegen laue Christen, die meinten, der Glaube allein genüge, und dann brauche man nichts mehr zu tun. Deswegen betont er die Werke.
Sie sprechen also von ganz verschiedenen Situationen aus. Paulus versteht unter dem Glauben den in der Liebe wirksamen Glauben, d.h. den Glauben, der tätig ist und Werke, gute Werke hervorbringt. Die Werke, die er bekämpft, sind die Werke des Alten Testamentes, z.B. die Beschneidung.
Die Rechtfertigung, die er meint, ist die erstmalige Begabung mit dem Heiligen Geist an einen heidnischen Sünder. Und da sagt er mit Recht: „Wir halten dafür, daß der Mensch durch den Glauben gerechtfertigt wird ohne Gesetzeswerke.“ Es braucht keine Beschneidung, um die Rechtfertigung zu erlangen.
Dagegen spricht Jakobus von dem toten Glauben, von dem Glauben, der eben nicht lebendig ist, der keine Werke hat, der sich bloß ausruht und sagt: Ich glaube, und dann brauche ich nichts mehr zu tun. Und er spricht von den guten Werken, die eben normalerweise aus dem Glauben hervorgehen müssen. Der Christ muß gute Werke tun, wenn sein Glaube lebendig und heilskräftig sein will.
Und die Rechtfertigung, die er meint, ist nicht die erstmalige. Er spricht ja zu Christen, die schon gerechtfertigt wurden. Worauf er zielt, ist die Rechtfertigung beim Endgericht Gottes. Und das ist ein Gericht nach den Werken. „Was ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“
Also zwischen Paulus und Jakobus ist gar kein Widerspruch, sondern sie schildern zwei Seiten ein und derselben Sache. Der eine spricht zu Heiden, der andere spricht zu Christen, der eine wehrt sich gegen die Aufrichtung eines anderen Heilsmittlers als es Christus ist, an den man glaubt, der andere betont die Notwendigkeit, nun aber auch mit dem Glauben lebendig zu sein, Werke zu haben, damit man nicht beim Gerichte verlorengeht.
Siehe auch: Ohne gute Werke keine Rettung