Der Advent wird bei den zeitgenössischen Katholiken vor allem mit Adventskranz, Adventskalender und Weihnachtsmarkt verbunden. Und die bunten grellen Lichter vor der Haustür dürfen nicht fehlen, obwohl doch eigentlich die „stade“, d.h. die stille, besinnliche und naturgemäß auch die dunkle Zeit sein sollte, in der man über seine Sündhaftigkeit und seine Erlösungsbedürftigkeit nachdenkt. Das Licht der Welt, der Welterlöser, kommt ja erst an Weihnachten zu uns. Nun, bei uns auf dem bayerischen Dorf sieht es im Advent teilweise aus wie in Las Vegas, jeder versucht den Nachbarn zu übertreffen mit der Illumination. (Wenn alle nur auch im Kirchenbesuch so eifrig wären …) Wir haben uns oft gefragt, woher dieser Wandel bloß kommt.
Da wir uns glücklich schätzen dürfen, viele alte katholische Zeitschriften gelesen zu haben, denken wir mittlerweile, es kommt von dem Umsichgreifen der sogenannten „Genusssucht“, die schon Ende des vorletzten Jahrhunderts in so vielen katholischen Zeitschriften von Priestern aber auch von ernsthaften Katholiken beklagt würde. Immer war der Tenor, „wenn die Jugend weiter in diesem Geist der Genusssucht erzogen wird und sich nicht von früh auf beschränken lernt, wird es ein sehr schlimmes Ende nehmen“. Diese warnenden Katholiken hatten offensichtlich recht mit ihrer Prognose, denn der erste und zweite Weltkrieg und der grassierende atheistische Materialismus mit schrankenloser Genusssucht folgten ...
1936 konnte man zu dieser Thematik noch in einem „Werkheft für Pfarrei Schule und Elternhaus“ folgendes lesen:
„Christ sein heißt opfern können. Das Wort von der Nachfolge des Herrn: „der nehme sein Kreuz auf sich“ bedeutet: der bereit sei zu opfern. Das Opfer ist die religiöse Tat. Gerade darin offenbart sich die Entchristlichung der Welt, dass sie nicht mehr opfern will oder – wenn sie bereit ist zu geben und hinzugeben – dies nicht mehr „im Namen Gottes“, d.h. für Gott und zu Gottes Ehre tut. Das Opfer empfängt seinen christlichen – übernatürlichen – Sinn und Wert vom Opfer Christi, dessen gnadenvermittelnde Gegenwart das Messopfer ist. Vom Altare her kommt dem Christen die Kraft, opfern zu können. Das Opfer ist Weg und Ziel des Christenlebens. Die letzte entscheidende Opfertat, die uns Christus gleichförmig macht, ist in der Hingabe an Gott im letzten Augenblick beschlossen: „In Deine Hände, Herr, gebe ich meine Geist!“
Weiter werden die Eltern in dem Werkheft angefleht, sie mögen ihr Kind von Anfang an zur Opferbereitschaft erziehen und keinesfalls zu spät damit anfangen, denn sonst sei es unwiderruflich zu spät. Kleine Kinder sollten auf kindliche Weise zu Opfern angeleitet werden, indem sie greifbare Dinge, Dinge, die für ein Kind schön und gut sind, opfern lernen, so wie die Hirten in der Krippe Milch, Butter, Honig darbringen oder wie der heilige Hermann Josef, der der Muttergottes im Gebet einen Apfel als Geschenk dargereicht hat. Der Hausaltar solle nicht nur Gebetsstätte sein, sondern auch Opfertisch, wo die Kinder ihre kleinen Opfer, meist an vom Munde abgesparte Lebensmittel hinlegen –„für Gott durch die Armen“. So würde das Almosen in das Licht des christlichen Opfergedanken gerückt: „Was ihr dem geringsten euerer Brüder getan habt, das habt ihr mir getan."
In manchen Gegenden Deutschlands wurde allerdings noch bis in die 50er und 60er Jahre der sehr katholische Brauch beibehalten, den Kindern in der Vorweihnachtszeit Opfer, vor allem der Selbstüberwindung, abzuverlangen. In diesem Fall galten die Opfer dem Christuskind selbst: Für jedes Opfer durften die Kinder in eine leere Krippe einen Strohhalm legen. Alle waren eifrig, gute Werke zu vollbringen, denn an Weihnachten sollte die Krippe ganz voll mit Strohhalmen sein, damit das Christkind auch recht schön weich liege. So wurden Tugenden geübt – ein Wort, das neben „Opfer“ auch aus dem zeitgenössischen Katholizismus verschwunden ist.
Wenn jemand auch heute noch seine Kinder so im Advent anleitet – bitte zu unserer Erbauung melden.
PS.: Wir lesen gerade dass diese Tradition
der leeren Krippe im Advent wieder auflebt.