„Demnach ermahne ich zuerst und vor allem, zu verrichten Gebete, Bitten, Fürbitten, Danksagungen für — alle —Menschen, für Könige und alle, welche Beamte sind, damit wir ein stilles und ruhiges Leben führen in aller Frömmigkeit und Ehrbarkeit.“
St. Paulus sagt deutlich, woher er diese Lehre genommen, nämlich aus dem Herzen des Welterlösers. „Denn“, schreibt er, „das ist recht und angenehm vor Gott, unserem Erlöser, der will, dass alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.“
Ja freilich ist es dem Herzen Jesu recht und angenehm, dass man für alle Menschen bete. Denn das Gebet ist eine Waffe, mit der jeder Christ, selbst das Kind, alle Tage tausenderlei Feinde und Gefahren und Schädigungen von der Christenheit abwehren kann. Gebet ist ein Magnet, der ununterbrochenen goldenen Segen vom Himmel auf die Erde herabzieht, und den Kranken Heil, den Betrübten Trost den Sündern Gnade, den Sterbenden ein seliges Ende erwirken kann. Gebet nützt mehr als predigen; denn soll die Predigt Frucht tragen in den Herzen, muss erst zu ihr noch innerliche Gnaden von oben einstrahlen, den Menschen erschüttern, aufwärmen, stark machen.
Diese Gnade kannst du aber den Zuhörern erbitten. St. Franziskus von Assisi sagte einst, es werde beim letzten Gericht eine kuriose Sache vorkommen. Mancher große Prediger werde beim Anblick seiner ehemaligen Zuhörer, die auf der rechten Seite stehen, einen warmen Handkuss erwarten; statt dessen aber bekomme den Kuss und ewigen Dank ein frommes Weiblein, welche für sie gebetet und ihnen den Heiligen Geist erbeten hat; der große Prediger aber werde wegen seiner Eitelkeit oder sonstigen Gebrechen das leere Dareinschauen haben.
Gebet ist auch eine Kette, mit welcher man dem beleidigten und erzürnten Gott die Hände binden kann, dass er nicht strafe, was die Menschen alle Augenblicke in boshafter Weise gegen ihn freveln. Und Gott lässt sich gerne diese heilige Gewalt antun, weil er nur ungern straft, und überhaupt nur dann, wenn sonst nichts mehr fruchten will.
Soweit hatten es einmal die Juden gebracht, und darum war Gott gewillt, die Zuchtrute über sie zu schwingen. Das hört Moses, der heilige Mann, und geht sogleich ins Gebet und macht es so kräftig, dass ihm Gott sagt, er solle aufhören zu beten, sonst müsse er die Rute weglegen, und dann würde ja das Volk noch unbändiger und wilder gegen Moses selber werden. Aber Moses denkt nicht an sich, sondern nur an sein verblendetes Volk und bittet um Gnade. Und der Herr, sagt die Schrift, wird versöhnt, so dass er nicht ausführt das Urteil, welches er gegen sein Volk ausgesprochen.
(Aus: Das Haus des Herzens Jesu von Franz Seraph Hattler S.J., 1912)