Das wichtigste Gebet ist das Gebet um die Beharrlichkeit bis zum Ende. Siehe hier


Sonntag, 13. November 2011

Der ultimative „Beichtspiegel“ — Teil 1



Ich habe nun bei einem alten Praktikus eine rechte einfache und vortreffliche Weise gefunden, wie man es machen muss, wenn man will zu einem recht sauberen und zarten Gewissen gelangen. Es sind drei Lehrstücke, alle Tage abends in Anwendung zu bringen.
Zuerst sollst du vor dem Schlafengehen mit dir selber zu Gerichte sitzen, und Untersuchungen darüber anstellen, wie sich heute deine Gedanken, deine Begierden, deine Augen und Hände und Füße und deine Zunge und das Herz vor Gott aufgeführt haben; du sollst, will ich sagen, dein Gewissen erforschen. Ich will es dir recht leicht machen, und gebe dir dazu einen kleinen sogenannten Gewissensspiegel, in dem du ohne viele Mühe allabendlich deine Fehler entdecken kannst. Der Spiegel ist von der Art, wie der Herzog und nachmaliger Kaiser Ferdinand II. sich einen gemacht hat. Wie nämlich der Herzog noch klein war, gab ihm seine Mama einmal einen Handspiegel zum Geschenke. Nach einigen Tagen merkt sein Erzieher, dass der junge Herzog den Spiegel bei sich auf der Brust trage, und bald da, bald dort in einem Winkel des Hauses denselben hervorziehe und hineinschaue. Das wollte dem Hofmeister nicht gefallen; er fürchtete, der junge Herzog könnte eitel werden; und deswegen forderte er ihm den Spiegel ab. Der junge Herr will anfangs davon nichts wissen und tut verlegen, gibt aber den Spiegel endlich doch her. Das war aber kein Spiegel mehr; denn der junge Herzog hatte sich das Spiegelglas herausgenommen und statt dessen ein schönes Muttergottesbild in den Rahmen hineingetan, und so oft er nun das Bild ansah, verglich er sein Tun und Lassen mit dem Leben der heiligen Jungfrau, und fand natürlich, dass er immer noch etwas an sich zu putzen und zu bessern hatte.

Ich meine, du solltest dir auch so einen Handspiegel kaufen; es genügt übrigens auch ein einfacher Rahmen. Da hinein stellst du statt des Spiegelglases ein Bild des heiligen Herzens; das hängst du dir bei deinem Bette auf; und wenn du abends schlafen gehen willst, da schaust du so ein wenig hinein in diesen Spiegel wie der junge Herzog Ferdinand, und durchdenkst so ein bisschen bei dir selbst, wie dieses reinste und heiligste Herz an deiner Statt den Tag zugebracht und nicht zugebracht hätte, wie es gebetet, gearbeitet, geduldet, geopfert, gedacht und verlangt hätte. Du wirst sehen, du merkst dann bald an dir Schmutzflecken und Unordnungen an deinem Herzen, und wie deine Gedanken und dein Begehren so eitel und lieblos und neidisch oder schadenfroh oder sonst nichtsnutzig gewesen, und wie dein Gerede und dein Gewerke, dein Tun und lassen etwa ungeduldig und zänkisch, oder träg, oder schief und krumm und geradeaus auf Gott gerichtet gewesen sei. Und je länger und je tiefer du hineinschaust in dieses spiegelklare, reine und heilige, demütige und sanftmütige, eifrige und gottliebende Herz deines Erlösers, desto mehr Ungestalt wirst du in deinem Herzen finden, und sehen, wo es fehlt und was in Ordnung zu bringen sei.



(Aus: der Garten des Herzens Jesu oder: der Christ in seinem Erlöser nachgebildet, P. Franz Hattler S.J., Regensburg, Verlagsanstalt vorm G. J. Manz, 1922, S. 120-121)