Das wichtigste Gebet ist das Gebet um die Beharrlichkeit bis zum Ende. Siehe hier


Dienstag, 25. Oktober 2011

Gedicht der heiligen Kreszentia von Kaufbeuren



Du süße Hand Gottes ermunterst mein Herz
Und machest, daß ich mit dem Leiden nur scherz‘;
Es ist mir, als wenn mit mir Ballen Gott schlüg‘;
Je stärker Er zuschlägt, je höher ich flieg‘!

Ich muß es bekennen, Gott hobelt mich sehr,
Er schneidet und sticht mich, doch fällt’s mir nicht schwer.
Willst wissen warum nicht? Ich halte dafür,
Gott schnitzelte gern einen Engel aus mir.

Oft bin ich verlassen im Kreuz und im Leid,
Da denk‘ ich mir: So, jetzt hat Gott seine Freud‘;
Er macht’s wie der Jäger, der Wild schießen will,
Er läßt sich nicht sehen und haltet sich still.

So wie ein jung’s Bäumlein im Garten bin ich,
Gott selbst ist der Gärtner und biegt mich an sich.
Er reinigt und putzet an mir meine Zweig‘,
Auf daß ich mehr trage und höher aufsteig‘.

Ich bin so ganz fröhlich im Leiden bestellt:
Es rufet der Satan, es rufet die Welt;
Laß rufen, ich hör‘ nichts, ich will’ge nicht ein!
So komm‘ ich denn doch noch in’n Himmel hinein.

Ich sag‘ zu mir öfters: „Du Blum‘ in der Blüh‘,
Mußt denn schon verwelken? Es ist noch zu früh!“
Das schmerzt mich dann bitter, doch denk ich darauf:
Laß Blätter nur fallen, der Samen geht auf!

Ich fürchte kein Leiden, so groß es auch sei,
Wenn nur die Hand Gottes ist tätig dabei;
Denn Eisen und Stahl wird je schneller gestreckt,
Je stärker der Schmied mit dem Hammer drauf schlägt‘.

Was schadt’s euch, ihr Augen, wenn schon ihr zerfließt,
Wenn nur aus dem Weinstock die Blüt‘ hervorschießt`
Und wenn eine Träne mehr Tränen gebärt,
Wird doch noch mein Leiden in Freude verkehrt.

Und werd‘ ich auch immer mit Leiden geplagt,
Wie wenn eine Welle die andere schlagt,
Wenn nur die Hand Gottes zu fischen verlangt,
Je trüber das Wasser, je reicher Er fangt.

Zwar drückt mich Gott schmerzlich, doch schenkt Er Geduld;
Ich denk‘ dann bescheiden, ich hab’s ja verschuld‘t,
Und wenn man will orgeln, so tönet es nicht,
Wenn nicht mit den Fingern die Claves man drückt.

Laßt schlagen, laßt plagen, es muß ja so sein!
Sonst käm' von uns keins in’n Himmel hinein.
Was nützen die Garben im Haufen zu Haus,
Wenn nicht schlägt der Drescher den Weizen heraus?

Im Leiden zu leben, sei doch stets bereit,
Bis selbst die Hand Gottes den Faden abschneid’t,
Dann gib’s Fleisch den Würmern, die Knochen der Erd‘;
Die Seel‘ nach dem Leiden dem Himmel gehört.

So sei’s denn beschlossen, es bleibt denn dabei:
„hier schneide und brenne, dort gnädig mir sei!“
Zur Dankbarkeit will ich noch schreiben aufs Grab:
„Nach Leiden mir himmlische Freuden Gott gab.“

(Emmy Giehrl: Kreuzesblüten, Paderborn [Ferdinand Schöningh] 1908, S. 227-228)