Freitag, 10. August 2012

Denkt der Priester über Sünden nach, die er im Beichtstuhl gehört hat?

"Die Scham vor dem Bekennt­nis ist völ­lig unbe­grün­det, meine lie­ben Freunde. Las­sen Sie das einen Pries­ter, der seit 43 Jah­ren als Beicht­va­ter tätig ist, sagen! Der Pries­ter hat noch nie im Beicht­stuhl einen schlech­ten Men­schen getrof­fen. Die schlech­ten Men­schen gehen nicht beich­ten. Die in den Beicht­stuhl kom­men, sind reuige Men­schen. Das sind keine schlech­ten Men­schen. Es ist keine Schande, die Sün­den zu beken­nen. Eine Schande ist es, die Sün­den zu bege­hen! Aber die Sün­den zu beken­nen, das ist keine Schande. (...)
Die Mei­nung, der Pries­ter denke über die ihm bekann­ten Sün­den nach, ist ganz falsch. Was Gott in den Abgrund des Ver­ges­sens gewor­fen hat, das ist für den Pries­ter erle­digt. Wie soll er sich mit etwas beschäf­ti­gen, was vor Gott ver­nich­tet ist? Er freut sich über jeden Sün­der, und wenn ich das – mensch­lich gespro­chen – sagen kann: Er freut sich über das Bekennt­nis eines gro­ßen Sün­ders mehr als über das Bekennt­nis eines klei­nen Sün­ders. Warum? 
Weil der Sieg der Gnade grö­ßer ist, weil das Glück, einen Men­schen wie­der in den Stand der Gnade zu ver­set­zen, ein uner­meß­lich grö­ße­res ist, wenn einer kommt, der sich nach lan­ger Zeit wie­der bekehrt und zum Bekennt­nis ent­schlos­sen hat. Es ist also eine große Freude für den Pries­ter, wenn er im Beicht­stuhl sehen und wir­ken kann, wenn er seine Hand erhe­ben und spre­chen kann: „Deine Sün­den sind dir ver­ge­ben.“ 
Ich zögere nicht, meine lie­ben Freunde, zu sagen: Die frucht­bars­ten Stun­den mei­nes Pries­ter­le­bens waren die Stun­den, die ich im Beicht­stuhl ver­bracht habe. Es waren die wert­volls­ten, die kost­bars­ten Stun­den mei­nes Lebens. Men­schen mit Gott ver­söh­nen, Men­schen den Frie­den geben, Men­schen mit der Gnade beschen­ken, ja, was kann es Herr­li­che­res, Beglü­cken­de­res geben als die­ses pries­ter­li­che Tun?

Und ver­ges­sen Sie eines nicht: Der Pries­ter ist an das Beicht­sie­gel gebun­den. Er muß das Beicht­sie­gel hal­ten, und wenn es ihn das Leben kos­tet. In der Fran­zö­si­schen Revo­lu­tion haben unter dem Zwang und Ter­ror so man­che Pries­ter ihren hei­li­gen Beruf auf­ge­ge­ben. Andere sind in den Ehe­stand getre­ten, haben eine Zivil­ehe geschlos­sen. Aber, so schreibt der fran­zö­si­sche Bischof Grégoire von Blois, man hat nie­mals auch nur einen Pries­ter gese­hen, der das Beicht­sie­gel gebro­chen hätte."

siehe auch:
Der Weg der Bekeh­rung des Sün­ders
und
Die erste Beichte nach 27 Jahren

und
Die Pflicht, das Bußsa­kra­ment zu emp­fan­gen
und
Über Ver­mei­dung und Über­win­dung der Sünde
und