Dienstag, 3. Juli 2012

Welcher Glaube und welche Werke zur Rettung erforderlich sind

Häufig vergessen seit das protestantische Denken in die katholische Kirche eingedrungen ist:
Ein reiner Gefühlsglaube bzw. Vertrauensglaube reicht nicht, um gerettet zu werden, ebenso wenig wie ein dogmatischer Glaube ohne gute Werke reicht:

von Prälat Prof. Georg May

Zur Recht­fer­ti­gung ist unent­behr­lich der Glaube, denn der Glaube ist der Anfang des Hei­les, die Wur­zel und die Grund­lage der Recht­fer­ti­gung. So nennt ihn das Kon­zil von Tri­ent. Was für ein Glaube? 
Auch hier sind die Irr­leh­rer wie­der in die Irre gegan­gen. Sie sagen: Der Fidu­zi­al­glaube, d.h. die bloße Zuver­sicht, daß Gott uns um des Lei­dens Jesu wil­len gnä­dig sein wird. Nein, sagt die Kir­che, der reicht nicht. Der bloße Fidu­zi­al­glaube, der bloße Ver­trau­ens­glaube, reicht nicht. Es muß der dog­ma­ti­sche, der Bekennt­nis­glaube, der theo­lo­gi­sche Glaube sein, der alles das umschließt, was Gott geof­fen­bart hat. 
Glau­ben heißt eben, sich auf das Fun­da­ment der Offen­ba­rung stel­len. Glau­ben heißt, das für wahr hal­ten, was Gott geof­fen­bart hat.

Und die Kir­che weiß, daß sie damit auf dem Boden des Neuen Tes­ta­men­tes steht. Da wird zwar auch das Ver­trauen auf Gott betont an vie­len Stel­len, aber wie kann ich denn auf Gott ver­trauen, wenn ich nicht an ihn glaube, wenn ich nicht glaube, daß er ist und daß er barm­her­zig ist und daß er mir die Sün­den ver­zei­hen will? 
Der dog­ma­ti­sche Glaube muß also dem Ver­trau­ens­glau­ben vor­an­ge­hen, er ist ja des­sen Grund­lage. So heißt es bei­spiels­weise im Mar­ku­sevan­ge­lium: „Ver­kün­digt das Evan­ge­lium allen Geschöp­fen! Wer glaubt und sich tau­fen läßt, wird geret­tet wer­den. Wer nicht glaubt, wird ver­dammt wer­den.“ Oder im Johan­nes­evan­ge­lium: „Das ist auf­ge­schrie­ben, daß ihr glaubt – daß ihr glaubt! –, daß Jesus der Mes­sias ist, und daß ihr glau­bend das ewige Leben habt.“ Oder im Hebrä­er­brief: „Wer zu Gott kom­men will, muß glau­ben, daß er ist und daß er denen, die ihn suchen, ein Ver­gel­ter wird. Ohne Glau­ben ist es unmög­lich, Gott zu gefal­len.“

Also zur Vor­be­rei­tung gehört der Glaube, der dog­ma­ti­sche, der Bekennt­nis­glaube, und des­we­gen hat die Kir­che auch immer – sie tut es heute noch – vor der Taufe die Tauf­be­wer­ber belehrt im Glau­ben. Das besagt nicht nur: Habt Ver­trauen!, son­dern das besagt auch: 
Glau­bet alles, was Gott geof­fen­bart hat und durch seine Kir­che zu glau­ben vor­stellt! Des­we­gen wurde den Tauf­be­wer­bern – und wird auch heute noch – fei­er­lich das Glau­bens­be­kennt­nis über­ge­ben, also ein Inhalt, nicht nur eine Hal­tung.

Der Glaube ist uner­läß­lich. Aber es müs­sen zum Glau­ben auch andere Dis­po­si­ti­ons­akte, Vor­be­rei­tungs­hand­lun­gen hin­zu­kom­men. Es genügt nicht der Fidu­zi­al­glaube allein, aber auch zu dem dog­ma­ti­schen Glau­ben müs­sen noch andere Vor­be­rei­tungs­hand­lun­gen hin­zu­tre­ten, nur wel­che? 
Etwa die Hoff­nung auf Got­tes Barm­her­zig­keit, der Abscheu vor der Sünde, die Furcht vor der Strafe Got­tes, der Anfang der Got­tes­liebe und die Bereit­schaft, ein neues Leben zu begin­nen. Das sind die Vor­be­rei­tungs­akte, die sich mit dem Glau­ben ver­bin­den müs­sen. Einer von die­sen Vor­be­rei­tungs­ak­ten ist abso­lut not­wen­dig, näm­lich die Reue. Wer keine Reue hat, dem wer­den keine per­sön­li­chen Sün­den ver­ge­ben. Ohne Reue nützt auch der Glaube nichts. So not­wen­dig wie der Glaube zur Recht­fer­ti­gung ist, so not­wen­dig ist die Reue.

Nun gibt es eine Merk­wür­dig­keit, meine lie­ben Freunde. Es gibt zwei Stel­len, beim Apos­tel Pau­lus eine und beim Apos­tel Jako­bus, die schei­nen sich zu wider­spre­chen. Denn beim Apos­tel Pau­lus heißt es: „Wir hal­ten dafür, daß der Mensch durch Glau­ben gerecht­fer­tigt wird ohne Geset­zes­werke.“ Ich wie­der­hole: „Wir hal­ten dafür, daß der Mensch durch Glau­ben gerecht­fer­tigt wird ohne Geset­zes­werke.“ Dage­gen schreibt Jako­bus: „Ihr seht, daß ein Mensch aus Wer­ken gerecht­fer­tigt wird und nicht aus Glau­ben allein.“ Ich wie­der­hole: „Ihr seht, daß ein Mensch aus Wer­ken gerecht­fer­tigt wird und nicht aus Glau­ben allein.“ Ja, ist das kein Wider­spruch? Der eine sagt: Der Glaube allein, der andere sagt: Nicht aus Glau­ben allein.

Man muß wis­sen, aus wel­chem Hin­ter­grund die bei­den Apos­tel spre­chen. Der Apos­tel Pau­lus wen­det sich gegen die Juda­is­ten, also gegen sol­che Chris­ten, die das ganze alt­tes­ta­ment­li­che Gesetz den neuen Chris­ten auf­le­gen wol­len; und da betont er den Glau­ben. Jako­bus wen­det sich gegen laue Chris­ten, die mein­ten, der Glaube allein genüge, und dann brau­che man nichts mehr zu tun. Des­we­gen betont er die Werke. 
Sie spre­chen also von ganz ver­schie­de­nen Situa­tio­nen aus. Pau­lus ver­steht unter dem Glau­ben den in der Liebe wirk­sa­men Glau­ben, d.h. den Glau­ben, der tätig ist und Werke, gute Werke her­vor­bringt. Die Werke, die er bekämpft, sind die Werke des Alten Tes­ta­men­tes, z.B. die Beschnei­dung. 
Die Recht­fer­ti­gung, die er meint, ist die erst­ma­lige Bega­bung mit dem Hei­li­gen Geist an einen heid­ni­schen Sün­der. Und da sagt er mit Recht: „Wir hal­ten dafür, daß der Mensch durch den Glau­ben gerecht­fer­tigt wird ohne Geset­zes­werke.“ Es braucht keine Beschnei­dung, um die Recht­fer­ti­gung zu erlan­gen.

Dage­gen spricht Jako­bus von dem toten Glau­ben, von dem Glau­ben, der eben nicht leben­dig ist, der keine Werke hat, der sich bloß aus­ruht und sagt: Ich glaube, und dann brau­che ich nichts mehr zu tun. Und er spricht von den guten Wer­ken, die eben nor­ma­ler­weise aus dem Glau­ben her­vor­ge­hen müs­sen. Der Christ muß gute Werke tun, wenn sein Glaube leben­dig und heils­kräf­tig sein will. 
Und die Recht­fer­ti­gung, die er meint, ist nicht die erst­ma­lige. Er spricht ja zu Chris­ten, die schon gerecht­fer­tigt wur­den. Wor­auf er zielt, ist die Recht­fer­ti­gung beim End­ge­richt Got­tes. Und das ist ein Gericht nach den Wer­ken. „Was ihr dem gerings­ten mei­ner Brü­der getan habt, das habt ihr mir getan.“

Also zwi­schen Pau­lus und Jako­bus ist gar kein Wider­spruch, son­dern sie schil­dern zwei Sei­ten ein und der­sel­ben Sache. Der eine spricht zu Hei­den, der andere spricht zu Chris­ten, der eine wehrt sich gegen die Auf­rich­tung eines ande­ren Heils­mitt­lers als es Chris­tus ist, an den man glaubt, der andere betont die Not­wen­dig­keit, nun aber auch mit dem Glau­ben leben­dig zu sein, Werke zu haben, damit man nicht beim Gerichte ver­lo­ren­geht.

alles von Prälat Georg May aus der Predigt Die Vor­be­rei­tung der Recht­fer­ti­gung